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1 THE MAD CAPSULE MARKETS 2 „Digidogheadlock" 3 (JVC / Hardbeat)

Trotz mancher Brakbeats irgendwie rock`n`rolliger Industrialmetal, außerdem mit furchtbaren Cybermonstern aufm Cover. 13 Tracks volles Brett (herkömmlich) und dann 3 Mixe lang volles Brett (modern in slow und fast von AUDIO ACTIVE und ALEC EMPIRE, der für die japanische ATARI TEENAGE RIOT-Variante sorgt). Der perfekte Soundtrack zum Harakiri.

1 MAEROR TRI 2 Myein 3 (ND)

Mit dieser CD, ihrer dritten mittlerweile, beweisen MAEROR TRI einmal mehr ihren Ausnahmestatus in der experimentellen Musik. Drei atemberaubende Ambienttracks dokumentieren die Vielfalt ihrer Musik, aber auch ihre fast zärtliche Herangehensweise an Klänge an sich. So beinhaltet „Phlogiston" die fantastischste Steigerung, die ich je in einem Stück hören durfte: aus fernen, leichten Klängen entwickelt sich minutiös, langsam, aber doch sehr dynamisch eine Hymne zum klanglichen Inferno, an dem schließlich 12 Gitarren beteiligt sind. Mit dem Beginn von „Desiderum" erreicht die Spannung ihren Höhepunkt, der Vorhang öffnet sich, die Welt dahinter wird sichtbar: gleißendes Licht, himmlische Choräle, ein kosmischer Tanz in slow motion, ein Schweben durch Zeit und Raum. Titelstück Myein (47 min.!) spielt sich dann schon jenseits der Grenzen der Wahrnehmung ab - eine Reise durch die Mikro- (oder Makro- ?) Struktur von Klängen, Momentaufnahmen inmitten von Atomkernen oder Planetensystemen, Essenz aller Empfindungen und akustischer Trips, pe-ac-e.

1 MAEROR TRI 2 Physis / Phyein 3 (Fool`s Paradise)

„PHYSIS: Naturkraft - das bereits ursprünglich Vorhandene - die Bewegung" : im Gegensatz zu den letzten Veröffentlichungen rhythmisch pulsierend, fast schon tribalistisch; sehr natürliche Klänge, die ein archaisches Ritual zelebrieren - powervoll! „PHYEIN: erzeugen - hervorbringen - wachsen" : etwas subtiler, zeitlupenartige Evolution; dennoch dynamisch vorwärtsdringend, kreativ und voll Liebe fürs Detail, Musik fürs bewußte Sein ... Die EP kommt mit schönem handgemalten Cover aus Ölfarben (das „paddle wheel"- Symbol von MAEROR TRI).

1 MAEROR TRI 2 „Mort Aux Vaches" 3 ( Staalplaat )

Leider hat sich eine der aktivsten und besten Bands der hiesigen Ambient/Industrialszene („non-entertaining music") aufglöst, macht aber zu zweit als TROUM weiter. Staalplaat schenkt uns als Vermächtnis einer der letzten gemeinsamen Aktionen die Aufnahmen der „Mort Aux Vaches"-Improvisationsserie, an der schon MERZBOW und JIM O`ROURKE teilnahmen (zur backgroundtheory siehe das Buch „Temporäre Autonome Zone" von Hakim Bey) - in diesem Fall drei superlange nonverbale Assoziationen zu „mind" (eines der Hauptthemen von MAEROR TRI, vergleiche die ebenfalls sehr empfehlenswerte „Language of Flames and Sounds"): Initiation, Alternation und Expansion. Der erste Track ist für mich der beste, den die Band je gemacht - durch die Integration eines treibenden Rhythmus (sonst nur sehr selten bei Liveauftritten zu erleben) entwickelt sich eine ungeheure Dynamik jenseits von Worten, direkt in den Bauch. Die anderen Tracks richten sich dagegen ans Unterbewußtsein, sind aber nicht minder schön (wobei einige der Sounds von „Expansion" an die COIL-Beiträge zur „Nightmare Culture"-Split-LP mit CURRENT 93 erinnern, allerdings nicht im damaligen Noiseindustrialgewand, sondern ambient-subtil). Kult-CD im absolut gräßlichen Anti-Kult-Cover, limited edition 600 - ein Muß!

1 MAEROR TRI 2 Emotional Engramm 3 (Iris Light)

Dritte posthume Veröffentlichung der Ausnahme-Dronisten, und gleichzeitig die reifste von insgesamt 6 Cds neben 3 Singles und unzähligen Tapes. Zum ersten Mal in „normaler" Verpackung, dafür mit verwirrend-faszinierendem schwarz-weiß-Artwork. Wunderschönen Ambient haben sie schon (fast) immer gemacht, aber manchmal war er einfach zu schön - hier hingegen werden sperrige Loops von gewaltigen Flächensounds überlagert, um dann Minuten (oder gar Stunden, denn Zeit spielt im MAEROR TRI-Universum höchstens eine untergeordnete Rolle) später mutiert wieder zum Vorschein zu kommen und sich in noch vielschichtigeren Gebilden aufzulösen, die mit Musik im herkömmlichen Sinne nicht mehr viel zu tun haben, sondern pure Emotion sind. Es liegen einfach Welten zwischen den fast schon esoterischen Atlantikwellen auf dem immerhin schon fast acht Jahre alten „Vox sirenum" und den manipulierten Sounds auf „Undisonus", die ihre ursprüngliche Quelle nicht preisgeben. „Emotional Engramm" klingt wie ein Konzeptalbum, dennoch handelt es sich eigentlich um Archivaufnahmen, die zwischen 93 und 96 entstanden sind.

1 Main / White Winged Moth / Flying Saucer Attack 2 „Mort Aux Vaches" 3 (Staalplaat / Triton)

Triple guitars auf einer Mort Aux Vaches, von klassischem Ambient mit Akustikgitarre (4 über die CD verteilte Kleinode von FSA) zu den six strings als Klangerzeuger, die als solche nicht mehr zu erkennen sind. Mains 15-Minuten-Oeuvre „Counterglow" geht dabei mehr in Richtung Neue Musik: abstrakt, zerfasert; WWM hingegen zelebrieren dronigen Gitarrenambient, wie ihn beispielsweise Maeror Tri bzw. Troum jahrelang bis zur Perfektion brachten. Die CD-Verpackung ist ein geniales „Raum-Schiffe versenken"-Spiel, wobei die Main-Flieger 4 Punkte bringen, WWM 6, FSA aber nur 3 (dafür gibts halt auch derer vier). Wenn Staalplaat nicht bald einen Preis für die originellsten CD-Hüllen bekommt, weiß ich auch nicht…

1 Maju 2 „Maju 1" 3 (Extreme / Indigo)

Psychoaktive Elektronika aus Japan in Richtung Antihouse mit vielen feinen Stereoeffekten. Dann und wann werden Rhythmuspartikel eingestreut, es bleibt aber letztendlich weniger Drum als vielmehr Bass mit Geknirze und sehr vielen versteckten Nebenhandlungen. Kopfhörer sind da Voraussetzung, um durch den Kokon (das bedeutet Maju nämlich) in die Innenwelt eines modernen Individuums zwischen Technowelt und „mistaken self-identity" zu gelangen - Orientierungshilfen sind da die körperlichen Bezüge in nahezu allen Maju-Titeln: blood, face, glance, mouth, fingers, membrane, eyelids... Der Rest ist Natur (mist, sky) und „Defining One's Own Self".

1 Maju 2 „Maju 2" 3 (Extreme / Artelier)

Fängt zwar mit Klängen an, die ich am ehesten Mouse On Mars zugeschrieben hätte, aber danach setzen die JapanerInnen wieder genau da an, wo sie mit „Maju 1" aufgehört haben: wunderschön und sehr subtil, und wiedergibt es Gedichte von Hikaru Sekine dezent im Hintergrund, diesmal allerdeings auf Chinesisch. Daß jetzt ein Track mehr dabei ist und die CD 12 Sekunden länger als der Vorgänger, ist schon der deutlichste Unterschied. Aber ehrlich gesagt kann ich mir nicht vorstellen, daß sich irgendjemand gewünscht hätte, daß sich groß was ändern soll, dass Ergebnis war vorher schon einfach zu nah an der Perfektion, und das wird hier noch mal bestätigt.

1 Maju 2 „Maju 3" 3 (Extreme / alive) & 1 Maschinenschlosser 2 „Orange Noise" 3 (dbelltime / mdos.at)

„Maju 3" fängt da an, wo der ebenfalls numerisch betitelte Vorgänger aufhörte, nämlich bei breiten Ambientflächen, die als erste Assoziation häufig ein „Wie schön!" hervorrufen, nur um gleich darauf von einem „Aber ein bisschen seicht, oder?" gefolgt zu werden. Aber zum Glück hat Maju-Mastermind Sakana Hosomi durch seine Mitarbeit an über 200 Alben genug Erfahrungen gesammelt, um immer dann, wenn es wirklich kurz vorm Abdriften ist, Spannung mit Hilfe von kleinen Dissonanzen und Störgeräuschen aufzubauen. Genau diese Nebenstränge der ansonsten wortlosen Erzählung (denn Gedichte gibt es diesmal im Gegensatz zu beiden Vorgängeralben nicht), die subtle textures und dezenten Rhythmusandeutungen wie am Ende von „uncarved" und „chain", aber auch durchs komplette „catalysts" hindurch machen den ganz eigenen Reiz von Maju aus. Der Maschinenschlosser und Knobtwiddler Christian Stefaner arbeitet fast ausschliesslich mit solchen Nebensträngen, was seine Musik so komplex wie schwer zugänglich macht. Aber die Mühe lohnt sich: Wer erstmal einen Einstieg in die Maschinenschlosserwelt gefunden hat, will sie garantiert so schnell nicht wieder verlassen, zu vielseitig sind die elektronischen Basteleien, die bei allen Differenzen locker mit Aphex Twin und Co. mithalten können. Der Titel weist schon darauf hin: Zwischen schwarz und weiss gibt es noch eine ganze Menge weiterer Nuancen.

1 Manipura 2 „Manipura" 3 (Speeding Across My Hemisphere)

War auf der Debüt-7" noch lupenreiner Ambient zu finden, bei dem in keiner Review das Adjektiv „wunderschön" fehlte, so hat das norwegische Ein-Mann-Unternehmen jetzt einen neuen Forschungsauftrag in LP-Form an den Grenzgebieten von TripHop, D&B und eben Ambient angenommen, um etwaigen Schnittmengen aufzuspüren. Teile der Ergebnisse waren schon bei den Liveperformances mit Origami Galaktika zu bestaunen, und nun ist eindeutig klar, von wem die hooked loops kamen. Komischerweise erinnert das im Studio im Guten (phatte Breakbeats am Anfang von Seite 2) und im Schlechten (esoterisches Saxophongedudel am Ende derselben) an Talvin Singh (obwohl nix Asian, dafür Underground) - Titel sind ohne Entschlüsselungsprogramm nicht auszumachen, aber das soll so...

1 Lasse Marhaug 2 „Nothing But Sound From Now On" 3 (Smalltownsupersound / Cargo)

Wenn ich mich richtig erinnere, war Lasses erste Veröffentlichung eine Split-7" mit Merzbow - das hat abgefärbt, und es gab Harsh Noise bis zum Abwinken. Die Antithese bildeten die Laptop-Soundscapes mit John Hegre unter dem Namen Jazzkammer, und jetzt kommt die passend betitelte Synthese. Es fiept und knarzt und ist bei weitem nicht immer angenehm zu hören - Geräusche eben, vor allem Störgeräusche des Computerzeitalters, der Industrial der New Economy sozusagen.

1 MARINEVILLE 2 „Redpath House" 3 (Universal Egg)

Gewagte Mischung aus Ambient, Trance und Drum&Bass, und dann auch noch live eingespielt… Anders als bei vergleichbaren Alben (Rapoons „Navigating By Colours" oder „Trip Trap" der russischen Species of Fishes) ist die Stoßrichtung nicht so ganz klar: Streckenweise plätschert das Album so vor sich hin, und dann säuselt noch ein Saxophon rum, bis in Track 3 endlich die „Revolution" ausbricht, zunächst noch verhalten, dann aber bei „Modus Operandi" unaufhaltsam. Der Bandname bezieht sich übrigens auf den Knast, in dem Sun Ra als Wehrdienstverweigerer während das Zweiten Weltkriegs saß.

1 Max Dröge Quintett 2 „Das Max Dröge Quintett" 3 (MDQ)

Elektro-Frickel meets Neurosis! Hinter dem schröcklichen Namen (wird nur noch getoppt von den Feinen Trinkers bei Pinkels daheim) steckt nämlich ½ Hofuko Sushi (allerdings nicht die Fischmob-Hälfte Stachy) sowie das Beste vom Flens-Core, als da wären Reste von Zack Ahoi und Voll auf Zero. Und das bedeutet immer auf die Zwölf, schön brachial, aber eben auch jede Menge Samples - streckenweise stehen die sogar mehr im Vordergrund, als sich Neurosis das jemals getraut haben. Dazu kommt noch ein Ambush-Cover („Ratten" - auf deutsch!) und lustige Titel („Pupsgemütlich"), nur die Videos und Dias von den Auftritten fehlen. Komisch, das sich bisher noch kein Label gefunden hat, aber daß kann sich ja ändern...

1 MEATHEAD 2 „Dick Smoker" 3 (Sub/Mission)

Nach Motoren, Radios und Maschinen im allgemeinen nun etwas Organisches vor dem Kopf im Bandnamen; dafür ist die Musik um so maschineller als bei den Namensverwandten: Drumcomputer plus Metalgitarre mit einigen interessanten Breaks, ganz nett aber nicht besonders neu oder aufregend... Inklusive PUSSY GALORE-Coverversion („Loser").

1 MEATHEAD 2 "Bored Stiff" & "Kill a Cop for Christ and Bring Us His Head" (Sub/Mission)

War ihre letzte Maxi noch relativ flau, so haben sich die Fleischköppe jetzt mächtig ins Zeug gelegt und fahren eine feiste Mischung aus Metalgitarren, HipHopbeats und leichten Industrialeinflüssen auf, so wie wir es lieben... Dabei verlassen sie sich zum Glück nicht nur auf die Speicherfähigkeit ihrer Sampler, sondern helfen auch selbst mit Gitarren, Baß und Drums nach. Das wird nie langweilig: Witzige Breaks lösen aggressive Noiseattacken ab und vereinen sich zu echten Ohrwürmern. Gleichzeitig mit der CD erscheint der vierte Teil der „MEATHEAD against the world"-7" Serie, auf der sie sich bisher schon mit den Japan-Noisern von ZENI GEVA austobten. Hier spielen Meathead und Cop Shoot Cop je ein Stück und remixen dann noch das der anderen Band, außerdem gibts noch einen gemeinsam eingespielten Ghosttrack. Anspieltip: „Schweinhund" von COP SHOOT COP, übrigens die definitiv letzte Aufnahme der NYer.

1 MERCANTAN 2 „IX" 3 ( Drag and Drop / Rough Trade )

Düstere instrumental - electronix und dark drones, das wirkt teilweise ein wenig steril, dann wieder recht spannend („Moor Leidzten" und v.a. „Upstream"), auch wenn die Sounds an sich nicht besonders neu sind. Dafür werden hier und da Naturgeräusche integriert ( warum muß es nur immer Wasser sein?), die einen guten Kontrast zu den synthetischen Klängen bilden. Auch in den Titeln läßt sich eine gewisse Kritik an der (selbst benutzten) Technik ablesen: das bedrohliche „Ramstein" und der in mehrerer Hinsicht vielstrapazierte „Block IV" des Kernkraftwerks einer russischen Kleinstadt , die Musik spricht da für sich und Bedarf keiner weiteren Erklärung. „IX" ist einfach eine Schwarz - weiß - Fotografie einer Welt zwischen Natur und Technik, so wie sie auch im Beihaft zu sehen sind. Selten trifft das Artwork so sehr mein Empfinden der Musik !

1 MERCURY 4°F 2 "Phased" 3 ( Suggestion)

Die SchweizerInnn waren gerade mit HEADBUTT & Co. auf Deutschlandtournee, kommen aber nicht ganz so schwergewichtig wie ihre Londoner Noisekollegen. Vielmehr versuchen sie, Grunge-, Pop-, Easy Listening- oder was auch immer für Elemente aufzugreifen, in die Noiserocksprache zu übersetzen und sie so zu dekonstruieren. Da paßt es natürlich voll ins Konzept, daß der Bandname eigentlich in Spiegelschrift geschrieben wird und nach der Veröffentlichung von „Phased" in PHASED 4°F geändert wurde - die definitive Rocksongs für Post-was auch immer und Endzeitstimmung („I kill myself a little every day" in „The Slow Process of Self-Decay").

1 MERZBOW 2 „Tauromachine" 3 (Release)

Harsh Noise von Japans Finest - keine wirkliche Überraschung, aber ein weiteres Mal Anlaß, um sich über Masami Akitas Geisteszustand und den seiner wachsenden Fangemeinde den Kopf zu zerbrechen... 7 Hellcoretracks, die eine Menge Geduld erfordern und bis an die Schmerzgrenze gehen, auch wenn Stücke wie „Emission" durch die pumpenden Sounds zu Beginn fast schon technoid und damit ein wenig herkömmlich im Sinne von hörbarer Musik gelten könnte. Ansonsten Distortion bis zum Abwinken, und High Frequency-Attacken gibts erst zum Schluß.

1 MERZBOW 2 „Scumtron" 3 ( Intercord / Mute )

Hätte mir vorher eineR erzählt, AUTECHRE und JIM O`ROURKE würden MERZBOW remixen, hätte ich das für einen Witz gehalten. Ambient und Intelligent Techno meets Harsh Noise ? Ist jetzt aber wirklich passiert, also müssen sich die überraschten Listener damit auseinandersetzen: JIM O`ROURKE wendet seine gewohnte fließende Arbeitsweise an, die bei spärischen Ambientsounds voll paßt, hier aber etwas seltsam anmutet, wenn es auch weitaus leichter verdaulich als die exklusiven Feedbackattacken von MERZBOW himself. PANASONIC kreieren/mixen rhythmischen Industrial herbei, zwar endlos lang, aber auch nicht superharsh. REHBERG/BAUER widmen sich fast ausschließlich der ultrahohen und schmerzhaften Frequenzen von „Antimonument" und RUSSELL HASWELL schafft es, in vier Minuten ein „Micromedley" aus ungefähr zehn MERZBOW-Krachorgien zusammenzustellen. Der AUTECHRE-Mix von „Ecobondage" erinnert dann kaum noch ans Original, eher daran, wer jetzt die Knöpfe in der Hand hält; irgendwie zwar das Thema verfehlt, trotzdem der absolute Hit dieser Compilation und das einzige, das sich auch wirklich entspannt hören läßt.

1 MERZBOW / LASSE MARHAUG 2„Split 7"" 3 (Tidal Wave Recycling)

Harshe Symphonie des Extremnoisers aus Japan mit einem seiner norwegischer Jünger. Dies ist wirklicher Kunst als Terrorismus: ein Fegefeuer aus Krach, der dir das Gehirn rauspustet. Manchmal muß das eben sein.

1 THE MIKE GUNN 2 „Coduh" 3 (Worship Guitars)

Sympathischer Gitarrenscrammel (heutzutage läuft sowas wohl unter Grunge) mit Seventieseinflüssen einer obskuren Band, die sich gerade aufgelöst hat. Eröffnet wird das Sammelsurium aus Live - und Studiotracks durch das fast 15-minütige „Holger", und auch sonst hat die Band lustige Ideen („Hobbit Song", „Girl with no chin", „Song about horses"). Inklusive mehr oder weniger Philosophischer Gedanken aller Ex - GUNNs zu ihrer „einzigartigen" Band, deren Besonderheit vermutlich ihre absolute Durchschnitthaftigkeit ist.

1 Ted Milton / Loopspool 2 „Sublime" 3 (charhizma / A-Musik)

Wiedersehen mit zwei alten Bekannten: Loopspool steckt im Tied And Tickled Trio und ist hier für die maschinellen Sounds zuständig, Milton hat bereits in den Achzigern mit der No Wave-Band Blurt und seinen narzißtischen Gedichten solange rumgenörgelt und genervt, bis er bekannt wurde. Saxophon spielt er immer noch, und auch die Paranoia in der Stimme, die ihn mit großen Propheten wie Edward Ka-spel verbindet, ist erhalten geblieben. Dennoch ist „Sublime" mehr als ein dubbiges Update alter Experimente, denn Milton hat gelernt zuzuhören, kann auch mal einge Zeit ohne seine Stimme oder das Saxophon ertragen - was sie um einiges interessanter macht; „Less is more" wußte schon mein Englischlehrer in regelmäßigen Abständen zum Besten zu geben…

1 Mimetic Mute 2 „Positive" 3 (Moloko+/Target)

Der Kopf dieses Projektes, Jerôme Soudan, trat bisher hauptsächlich als Drummer von Column One und Von Magnet in Erscheinung. Erstere sind ein guter Referenzpnkt für die freie Geisteshaltung (Teil des Methods To Survive-Netzwerkes und der lobenswerten Musicians Against Copyright of Sampling), letztere für den Sound. Zwar ist Mimetic Mute weitaus subtiler und verspielter als der große Bruder, die Klassikanleihen, die Spoken Word-Samples und die hohe Komplexität und Dichte könnten aber auch vom „Cosmogonia"-Remix-Album sein. „Positive" ist übrigens das Gegenstück zum gleichzeitig in Frankreich erscheinenen (na?) „Negative"

1 Adrian Moore 2 „Traces" 3 (empreintes DIGITALES / Drone Rec.)

Der Maestro höchstpersönlich hat seine Werke in drei Kategorien unterteilt. Die so genannten abstrakten Stücke „Junky" und „Dreamarena" sind klassische Elektroakustik mit gepitchten Streichern und ähnlichen Spielereien. Die zwei Tracks der „re-hearing natural sound-objects"-Kategorie beschränken sich dann jeweils auf eine Klangquelle: „Studies in Ink" benutzt einen Textmarker, „Foil-Counterfoil" eine Folie. Was Moore aus beiden herausholt, ist schierer Wahnsinn, der nur noch vom abschließenden, „radiogenen" Stück „Sieve" übertroffen wird - einer kakophonen Fülle an abstrakten und konkreten Sounds, aus der der/die ZuhörerIn einzelne heraussieben muss, um überhaupt etwas wahrnehmen zu können und diese Wahrnehmungen zu strukturieren - Alltagshören mit einer Unmenge an Assoziationsmöglichkeiten.

1 Morphogenesis 2 „In Streams Vol. 2" 3 (Paradigm Discs)

Bereits seit 6 CDs verbessern sie die Welt mit warm-weichem Ambient, ohne dafür je die gebührende Anerkennung zu finden. Dabei ist der Sound von Morphogenesis ziemlich einzigartig und höchstens mit den Noisemaker's Fifes vergleichbar, was nicht weiter verwundert, schließlich hatte es unter dem Namen Negative Entropy eine Collaboration beider Bands gegeben. Basis dieses Sounds sind nicht zuletzt die Biofeedbacks von Michael Prime, der schon mal für Soloveröffentlichungen mit dem Mikro auf Fledermausjagd ging und dem Ganzen einen sehr organischen Charakter verleiht. Hinzu kommen verstärkte Objekte, Elektronik und Radio, die vor allem den ersten Studiotrack äußerst abwechslungsreich gestalten. Es schließen sich 3 Livetracks unterschiedlicher Länge an, unter anderem ein Sonic Youth-Support Gig in London, bei dem der Applaus nicht den morphogenetischen Soundscapes gilt, sondern den gezielten Würfen aus dem Publikum…

1 MUSLIMGAUZE 2 „Zul`m" 3 (Extreme)

Geniales Re-issue von eigentlich schon fünf Jahre alten Aufnahmen und momentan der Hit in meinem CD-Player. Das (meistens) One-Man-Project aus Manchester entstand als Reaktion auf die israelische Invasion im Libanon. Seitdem ist das gesamte künstlerische Schaffen den Klängen (hauptsächlich den Rhythmen) und politischen Entwicklungen v.a. der arabischen Welt, aber auch des restlichen Asiens gewidmet - früher im Sinne von Industrialgetrommel, inzwischen jedoch weitaus tanzbarer und melodiöser, ohne jedoch die nah-/mittelöstlichen Wurzeln zu vernachlässigen. Bei diesem Werk sorgen zwei zusätzliche Musiker aus der Region für arabische und indische Percussion, die zusammen mit westlichen Electronics ein hypnotisches Innstrumental-Manifest gegen die israelische Besatzungspolitik bilden („Curfew, Gaza") oder indische Erinnerungen oder Träume heraufbeschwören („Shiva Hooka"). Und trotz aller Wut über die Grausamkeiten und vereinzeltem Verbalradikalismus auf anderen Veröffentlichungen sind MUSLIMGAUZE nicht aggressiv, sondern eher suggestiv und setzen der Zerstörung eine kreative Kultur entgegen - Tanz und Revolution, seit Emma Goldman untrennbar verknüpft.

1 Muslimgauze 2 „Baghdad" & „Sufiq" 3 (Soleilmoon / Triton)

Die Vielschichtigkeit zu Anfang (Radiosamples, Stereoeffekte, hooked Loops) verspricht ein besonderes Muslimgauze-Album, und das ist es auch, wenn auch die Komplexität zugunsten von Eingängigkeit zusehends reduziert wird. Das ist dann immer noch unverkennbar Bryn Jones, und doch diesmal fast dublastig, natürlich mit Tablas und immer grad so, wie's am wenigsten erwartet wird. Das aufwendige Cover (mit durchsichtigem arabischen Elefanten vor Oasenidyll) läßt „Baghdad" zu einer posthumen Perle werden. Da kann die parallel erscheinende EP „Sufiq" nicht mithalten, liefert sie doch allerhand Unvollständiges, fast wie Entwürfe zu etwas Größerem, das aber niemals vollendet werden wird. Die Intention bleibt unklar, aber der Name Muslimgauze wird's trotzdem verkaufen.

1 MUSLIMGAUZE 2 „Mullah Said" & „Mazar-I-Sharif" 3 (Soleilmoon / Staalplaat)

Das Cover von „Mullah Said" ziert ein Wüstenidyll mit Kamel, auf der Rückseite wird etwas in den Sand geschrieben, das Innencover könnte eine orientalische Bauchtänzerin sein - Bryn Jones weiß inzwischen sehr genau, wie er den Exotikbedarf der Post-Industrial-Szene zu befriedigen hat, und das gilt auch für die Musik: orientalistischer Dancefloor zwischen Trance und Asian Underground (und das schon zu Zeiten, als es diesen Begriff noch gar nicht gab), aufgenommen in einer Moschee in Manchester. Zündet die Räucherstäbchen an und laßt diese Klänge sich in euer Hirn einwinden. „Mazar-I-Sharif" hingegen fällt in der MULIMGAUZEschen Veröffentlichungsflut unangenehm auf, und das soll so sein. Sie ist so etwas wie der Evil Twin zu „Mullah Said"; die Stücke sollen einfach nicht gefallen, bestehen aus wirren Loops und kaputten Rhythmen, die jeder Ästhetik ebenso widersprechen wie die Pop Art-Bomben auf dem Cover, die einem Jungen beide Arme weggerissen haben. Endlich mal wieder ein politisches Statement von Jones, das über radikalislamisches Titelgepose hinausgeht.

1 Muslimgauze 2 „The Inspirational Sounds of…" 3 (Universal Egg/EFA)

Angesichts der Flut auch inzwischen posthumer Veröffentlichungen von Muslimgauze den Überblick zu behalten, ist gar nicht so einfach. Zion Train haben da die ehrenvolle Aufgabe übernommen, einen Querschnitt durch 5 CDs der letzten Jahre einem größeren Publikum vorzustellen, als Staalplaat es erreichen würde. So finden wir je 2-3 Tracks von „Mullah said", „Azzazin", „Fatah Guerilla", „Izlamaphobia" und „Jaal Ab Dullah" (zur erstgenannten CD vergleiche die Review in Intro 58), die eine erstaunliche homogene Mischung darstellen und vor allem ausnahmelos zu den besseren Muslimgauze-Stücken gehören, was wiederum angesichts der Fülle der Veröffentlichungen gar nicht so häufig vorkommt.

1 MUSLIMGAUZE 2 „Your Mines In Kabul" 3 (Staalplaat / Triton) & 1 BASS COMMUNION V MUSLIMGAUZE 2 „EP" 3 (Soleilmoon / Triton)

Auch Jahre nach Bryn Jones' frühzeitigem Tod kommen immer noch fast monatlich neue Mulimgauze-Sachen heraus, und es ist kein Ende abzusehen. Dass bei so einer Fülle nicht alles Geniestreiche sein können, ist klar - die jetzigen Releases gehören aber definitiv zu den Besten bisher. „Your Mines In Kabul" sind 3 CDs in einem einzigen Jewelcase (mal wieder in genialer Staalplaat-Verpackung mit Titeln auf der durchsichtigen Rückseite!), wobei „Mine 1" stärker den musikalischen Roots verhaftet bleibt. „Mine 2" zeigt mit Titeln wie „Burnt Bungalows of Simi" oder „Tongue Tied in Sind" und verzerrten Sounds die „böse" Seite von Muslimgauze. „Mine 3" schließlich ist ein 31minütiger Remix von „Lahore". Die zwei Stücke der EP mit Bass Communion stammen aus einer Periode wiederholten und gegenseitigen Remixens und Bearbeitens. Die Basistracks sind als solche nicht mehr zu erkennen, im jetzigen Format ist „Six" eine lange rhythmuslastige Up-Tempo-Nummern mit verzerrten Beats; „Seven" hingegen besteht vornehmlich aus einem sich langsam steigernden, rückwärts laufenden Beatloop, hat gegen Ende dann aber doch noch einige Überraschungen parat.

1 Muslimgauze 2 „Kashmiri Queens" & „Fedayeen" 3 (Staalplaat/Target) & (Tantric Harmonies)

"Muslimgauze für Millionen", meint Staalplaat selbstbewusst über „Kashmiri Queens", hat aber sicherheitshalber vorerst nur 1000 Exemplare pressen lassen. Dabei ist an der Behauptung was dran - der neue Muslimgauze-Sound ist äusserst verträglich und meilenweit von wütenden Attacken wie auf „Mazar-I-Sharif" entfernt. Genau bei solch einem Release zeigt sich aber deutlich, wie sehr beim Gesamtkunstwerk Muslimgauze der ideologische Überbau in Form von radikalem Gestus bei Covergestaltung und Songtiteln das reizvolle ausmacht (selbst wenn es - wie hier - gar keine Songtitel mehr gibt). Wäre die gleiche Musik auf Tape bei indischen Street Vendours oder auch im Asiashop erhältlich (was bei dieser CD wirklich durchaus denkbar wäre), hätte sich garantiert keineR der zahlreichen Muslimgauze-Fans dafür interessiert… Da deckt die ursprünglich nur bei Staalplaat als MP3 downloadbare „Fedayeen" doch viel mehr Facetten ab: anfänglich Breakbeats, dann fleissig Loops, immer schön asian und zusätzlich im schönen Digi-Pack. Und zum Abschluss gibts den Songtitel des Jahres: „Old arab record, not on compact disc"…

1 MUZAK FOR CAGES 2 Slow Glow 3 (45)

Ambivalent zwischen Selbstparodie (Untertitel: „Space Ambient Sound Scapes" !) und bewußter Inszenierung (der Typ hinter MUZAK FOR CAGES ist angeblich Pendelmeister, die Sounds sind gechannelt und für Astralreisen geeignet). Je nachdem, von welcher Seite du dich näherst, sind in den Käfigen entweder die seichteren instrumentalen Momente der letzten PSYCHIC TV- spoken word ambient-Veröffentlichungen wie „Breathe" oder „A Hollow Cost" (allerdings nochmal durch den Harmonizer gejagt) oder Schnarch-New Age mit ungewöhnlich vielen Samples und sehr düsterer Grundstimmung, so beim schauerlichen Wolfsheulen auf „Wolf" (sic). Irgendwie sphärisch, du.
 
 

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1 THE NEON JUDGEMENT 2 Jazz Box 3 (KK)

Vier mehr oder weniger technoide Mixe von PLASTIKA, NATURAL BORN GROOVES und TRANSKIT mit mehr oder weniger furchtbaren Gitarren (Negativbeispiel: das Hardrockgeschrammel mit eingeblendetem Applaus beim NBG-Mix), mehr oder weniger 4-to-the-floor-Langeweile und im Vergleich zu dem, was sich momentan im Elektronikbereich tut, schlicht einfallslos.

1 Nocturnal Emissions 2 „ Imaginary Time" 3 (Disaster Area)

Bei Nigel Ayers' Output war nie so klar, was rauskommen würde: Von Old School Industrial, EBM-Verwandtem, Ambient mit exzessivem Loopgebrauch bis hin zu schauerlichem Electrokaraoke reichte die Palette, deren Auswirkunegn noch immer zu spüren sind. „Imaginary Time" ist nicht so schlimm wie die letzte NE-Tour und die entsprechenden Livedokumente, hält aber dennoch mit den Highlights früherer Schaffensperioden nicht mit - leider.

1 Nocturnal Emissions 2 „The World Is My Womb" 3 (Soleilmoon / Target)

Re-issue einer Perle der Industrial-Legende Nigel Ayers, die sich auf der letztjährigen Tour konsequent selbst dekonstruierte und sturzbesoffen zu stumpfen Technobeats Verschwörungstheorien über Lady Dis Tod zum Besten gab. Hier stammt das Original von 1987, und Nigel war noch deutlich kreativer, auch wenn die Songs durch die Fülle der verwandten Loops teilweise sehr repetitiv wirken - vergleichbar mit der schönen „Spiritflesh" aus der gleichen Phase, oder SPKs „Zahmia Lehmanni", mit etwas mehr Klassikversatzstücken und einigen Spoken Word-Parts. Mit nicht mal 40 min. Spielzeit leider etwas kurz geraten, was aber durch den Verkauf zum Nice Price ausgeglichen wird.

1 Nocturnal Emissions/Origami vs. Manipura by: b9 2 „Mort Aux Vaches" 3 (Staalplaat/Triton)

Ein wahres Split-Album, aufgenommen auf der letzten Europa-Tournee. Die Adventures in Lo-Fi eines der kreativsten Aktivisten des norwegischen Origami-Kollektivs mutet an wie eine Werkschau: Beginnend mit dem atmosphärischen Ambient, den wir auf den Galaktika-Platten finden, über den zeitweilig harshen Noise der b9-Veröffentlichungen, hin zu den beatlastigen Kollaborationen mit Manipura, der zwar hier nicht anwesend war, dessen Breakbeats aber offensichtlich dennoch nicht fehlen durften. Eine schöne reise durch den origami-Kosmos. Mr Nigel Ayers verheißt zunächst auch einen Kessel Buntes, und das ist weit mehr, als mensch nach den katastrophalen Liveauftritten zu hoffen wagte, doch nach den anfänglichen Collagen setzt nach einer viertelstunden doch wieder dieser Billigdrumcomputer ein, der selbst Anfang der Achtziger niemanden begeistert hätte, und es wird fabuliert von Verschwörungstheorien, Lady Di und Monica Lewinski, bis das Zuhören zur Qual wird. Einzige Erklärung mag eine radikale Selbstdekonstruktion sein, den daß er's eigentlich immer noch viel besser kann, beweisen die zahlreichen Kollaborationen mit Randy Greif, Ribin Storey, Mick Harris, etc.

1 NOISE - MAKER`S FIFES 2 „Soundscapes of the Inner Eye" 3 ( NMT )

Abgefahren und schön kommen die Krachmacher - Querpfeifen rüber. Ihre Sounds sind abstrakt, deren Herkunft oftmals nicht mehr zu erraten, was natürlich zu noch weitreichenderen Assoziationen verleitet. Die Soundscapes verändern sich laufend, alles bleibt in Bewegung, wird jedoch nie hektisch; eher fließend formen sich einzelne Klänge zu Momenteindrücken, um kurz darauf wieder zu mutieren. Beeindruckend der Raumklang, den sie erzeugen, und der an die besten Zeiten von HAFLER TRIO erinnert. Abgesehen von dem etwas merkwürdigen Namen ein perfektes Album; Cover,Beiheft und Musik als Einheit. Diese Aufnahmen sind übrigens auch auf Video erhältlich (das muß der absolute Spacetrip sein!)

1 NOISEMAKER`S FIFES 2 „Soirée Dansate" 3 (NMT Productions)

Ein neues Meisterwerk aus Belgien ! Nur kurz nach ihrer sagenhaften Debut-CD beweisen DIE Newcomer der Ambient-/Industrialscene ihrer außergewöhnliche Klasse. Natürlich warten sie wieder mit superabgefahrenen Sounds auf, die sie ihren z.T. selbstgebauten Instrumenten entlocken, doch weist die neue CD auch eine Menge Abweichungen zur Vorgängerin „Soundscapes of the inner Eye" auf. Die vielfältigen Assoziationsflächen haben sich weitgehend strukturiert, die Klänge und Strukturen geordnet - kein Wunder, schließlich wurde die Musik extra für ein Tanzbalett der Gruppe COMPAGNIE THOR geschrieben (die Bewegungen bilden mit der Musik bestimmt eine schöne Symbiose!). Aber auch die Anspielungen werden konkreter und ethnolastiger: fernöstliche Klänge hier und da gliedern sich perfekt in die ansonsten eher abstrakten Klangwelten ein, auch wenn das Balett laut Booklet eher von Ägypten, den gewalttätigen Phantasien Miros und indianischen Tänzen handelt. Demnächst soll schon die dritte CD veröffentlicht werden, und aus InsiderInnenkreisen heißt es, auch eine 7" sei geplant - seid gespannt auf die vielversprechendste Experimentalband dieser Tage !

1 NOISE-MAKER`S FIFES 2 „Cruelty Has a Human Heart / Marumares" 3 (Obuh)

Die dritte CD der surrealistischen Soundscapespezialisten ist ein weiterer Geniestreich: psychedelischer Ambient mit Industrialeinflüssen, gespielt auf selbstgebauten Instrumenten und auch live immer wieder beeindruckend. Ihr neuestes Werk schließt die Lücke zwischen den beiden ersten Veröffentlichungen, es ist weniger assoziationsgeladen als die eher abstrakte „Soundscapes of the Innner Eye", aber auch nicht so rhythmisch wie die Ballettmusik auf „Soirée Dansate", obwohl die zweite Hälfte „Maramures" wiederum eine Collage aus ihren Soundtracks zu einer Choreographie von Thierry Smits ist („Cyberchrist"). „Cruelty..." hingegen sind Remixe einer Cassette mit älteren Improvisationen, die bereits auf Obuh erschienen war. Trotz der unterschiedlichen Entstehungszeiträume ist die CD in sich geschlossen, typische NMF-Sounds wechseln sich mit überraschenden Klängen ab und formen eine urtypische „Ideology of the Absurd" mit einer völlig eigenen Ästhetik. Schwer zu empfehlen !

1 NOISE-MAKER`S FIFES 2 „Public Frontation" 3 ( Twin Tub and Beaver )

Die Krachmacher sind zurück, und diesmal meinen sie es ernst - nur ein paar Monate nach der Veröffentlichung von „Cruelty has a Human Heart / Maramures" erscheinen die erste CD ausschließlich mit Liveaufnahmen der hyperaktiven Belgier: acht Killertracks, die die ungeheure Dynamik ihrer Performances einfangen, so der Opener „The Ideology of the Absurd", das mit der Studioaufnahme eben jener letzten CD nicht mehr so viel gemein hat, dafür aber fünfmal so lang ist - das wummert und scheppert wie in den 80s, die eingetreuten Rhythmusfetzen kommen aber definitiv aus den 90s und zeugen davon, wie sich NMF ständig weiterentwickeln. „Batllo House - Part Two" von ihrer ersten CD wird auch live umgesetzt und verändert, so daß sich inzwischen ganz andere Bereiche jenes geheimnisvollen Hauses assoziieren lassen. Außerdem dabei: mehrere Soundinstallationen, u.a. jene im Inneren eines Staudamms, die Wasser als einzige Soundquelle benutzt („Wasserwärts") und deutlich über das hinausgeht, was beispielsweise SMALL CRUEL PARTY unter dieser Konzeptvorgabe veröffentlicht haben.

1 NOISE-MAKER`S FIFES 2 Maikieêk 3 (Obuh)

Exklusive 10" mit Aufklappcover, anscheinend bisher unveröffentlichte Recordings von 1996. Obwohl sie auf der „Maikieêk"-Seite wie auch bei einigen Liveperformances von 2 MitstreiterInnen unterstützt werden, ist der Sound erstaunlich dünn. Ist aber schon fast beruhigend, daß bei der Veröffentlichungsflut der Belgier auch mal ein Stück dabei ist, das nicht ganz so toll ist. Dafür entschädigen dann auch die überragenden Soundscapes von „Zwaân" und der Ausschnitt aus dem „Cyberchrist"-Soundtrack auf der anderen Seite, beide mit den gewohnten psychedelischen Nebenwirkungen.

1 NOISE-MAKER'S FIFES & LUC VAN LIESHOUT 2 Corps(e) 3 (NMT Prod.)

Wieder einmal Musik für eine Produktion der COMPAGNIE THOR, diesmal Assoziationen zum Thema Körper; hat aber wenig mit anderen Kooperationen wie etwa „Soirée danasante" zu tun, auch wenn es zu Anfang so scheint. Doch schon nach 5 Minuten der ersten CD werden die gewohnten Ambientimprovisationen auf den z.T. selbstgebauten Instrumenten durch ein einsetzendes Saxophon (!) unterbrochen, später wirds richtig freejazzig, zeitweise mit etwas Acidjazz gemixt, dann Trompeten, Kirmesmusik ... Und dazu immer wieder neue Soundscapes, mal verhalten, dann stärker im Vordergrund, wie mensch es von den Belgiern kennt. Sehr obskur und ein wenig willkürlich; hat schon was von der Beliebigkeit eines L'art pour l'art, denn der Sinn dieser musikalischen Konfrontationen bleibt auch nach mehrmaligem Hören genauso verborgen wie die Verbindungen zu den Werken von Robert Mapplethorpe, Caravaggio und Francis Bacon, die irgendwo in den 3 Tracks verborgen sein sollen. CD 2 enthält dagegen NMF mit gewohnten Soundmalereien, fast noch intensiver als sonst; anscheinend Variationen des für den Soundtrack verwendeten Materials („ladro di carne", „X, Y, Z", „matter of fact") sowie Zusammenarbeiten v.a. Geert Feytons', die für mich viel mehr mit Körpern und ihren Grenzen zu tun haben und eher zum physischen Hören herausfordern.

1 NON 2 „Might" 3 (Mute / Intercord)

Über diese Platte werde ich nichts schreiben, weil ich für einen so üblen Faschisten wie Boyd Rice, der meint, mit jeder neuen Veröffenlichung seine verkackte Ideologie unters VOLK bringen zu müssen, keine Werbung machen will. Schlimm genug, daß er Leute wie David Tibet und COIL, die ja nun mit Faschismus definitiv nix am Hut haben, zu seinen Freunden zählen kann. Warum meint Mute nur, mittelmäßige Musik eines Hetzers veröffentlichen zu müssen - geht es da nur um Kohle, oder reizt das Spiel mit den „verbotenen Symbolen" wie auch bei LAIBACH ? Adresse für Protestbriefe / antifaschistische Aktionen : Mute, 429 Harrow Road, London W10 4 RE, UK Intercord, Aixheimer Str. 26, 70619 Stuttgart

1 NUMB 2 Blood Meridian 3 (KK)

Technoider EBM in Industrial-Nähe aus Kanada: knallhart, kompromißlos, aber in weiten Teilen auch sehr kalkulierbar - wohltemperierte Aggression. Ausnahme ist der Brachial-Drum&Bass-Hammer „Critical Mass", der zu ein paar interessanten Breaks bei „No Time" und atmophärischeren Tracks überleitet (weirde Soundspielereien bei „Spasm",das der Bonustrack auf jeder GODFLESH-Maxi sein könnte, und bei „Alien Hand", das nach sieben spacigen Minuten ins wiederum heftige „Deserted" übergeht), die die Existenzberechtigung von NUMB und „Blood Meridian" darstellen.
 
 

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1 OBJECT 2 „Release the Object" 3 (Foton / Lowlands)

Die Musik von Object ist geprägt von äußerst komplexen Rhythmusstrukturen, die sich oft erst bei wiederholtem Hören erschließen, und basiert auf dem Gegenspiel von extrem hohen und extrem niedrigen Frequenzen. Gepaart mit einem Minimalismus, der das musikalische Geschehen auf ein paar Töne reduziert, entsteht daraus eine Art Chill Out-Version von Microwave, die zugleich unterhaltsam wirkt und hohe Anforderungen an das Publikum stellt: Irritainment at its best. Auch das Label stellt hohe Anforderungen an sich selber und will bei jedem Release verschiedene künstlerische Arbeiten kombinieren. Dementsprechend gibt es statt des üblichen Covers ein postkartengroßes Gemälde von Ela Stasiuk und ein Dia von Subslide.

1 Olhon 2 „Veiovis" 3 (Spectre / Nautilus)

Schon wiederholt inspirierte das Faszinosum submariner Flora und (vor allem) Fauna das Schaffen bedeutender Klangkünstler; Verweise auf Francisco Lopez' „Azoic Zone" sowie Werkbund sollen an dieser Stelle genügen. Doch Bad Sector und Where wollen unter dem Projektnamen Olhon höher hinaus: Für diese einem prä-römischen Gott, der für Erdbeben und Vulkane zuständig ist, gewidmeten CD sammeltem sie Unterwasser-Fieldrecordings von 6 italienischen Vulkanseen aus bis zu 200 m Tiefe.Dementsprechend deep, deep, deep klingt „Veiovis" und schafft 7 namenlose Momentaufnahmen aus einer Welt, wo nur sehr selten Licht hingelangt. Aber die im Mix eingebauten vermeintlichen Störgeräusche vom Boot oder Berührungen des Mikros machen aus den Momentaufnahmen bizarre Soundscapes mit ihren völlig eigenen Clicks und Pops.

1 OOMPH 2 Wuschkind 3 ( Dynamica )

OOMPH ! Harter Tobak, sowohl musikalisch als auch textlich: Es geht um „Kindesmißbrauch" in jeglicher Form (Scheißwort, das nahelegt, es gebe einen „richtigen Gebrauch" von Kindern), und das geht direkt unter die Haut, auch wenn einige theatralische Samples und Textplattheiten wie „motherfuck you" auf „My Soubrette" so einem heiklen Thema manchmal nicht gerecht werden. OOMPH scheinen das aber auch erkannt zu haben, ist doch der Song „Song For Whoever" ironischerweise für diejenigen, die das Wort „fuck" zu oft benutzen (sie selbst tun das hier 12 mal)... Ihr brachialer Sound verweist dann ähnliche Bands wie FLUGSCHÄDEL deutlich in ihre Grenzen, trotz des Drumcomputers wirken OOMPH eher wie SEPULTURA denn wie GODFLESH: fette Gitarren und geniale Rhythmen, ohne auf atmosphärische Parts zu verzichten; Industrial-Metal at its best. Hervorzuheben sind drei Instrumentaltracks: „Wälsungenblut" steigert sich von Intelligent Trip Hop zu LAIBACH-Bombast, „Filthy Playground" vereint Neoklassik und Ambient-EBM mit zeitweiligen Stampfrhythmen, und „Der Alptraum der Kindheit" bietet mit sphärischen Synthieklängen und nihilistischen Vokalsamples das passende Resümee einer verdammt intensiven CD: „Du kannst nur beten, daß Du dann ... jemanden hast, der Dich liebt."

1 Orbit EV 2 „Orbit EV" 3 (Orbit EV)

Auch wenn live dank der Super 8-Filme (mehrer Projektionen übereinander!) der Trip erst richtig losgeht, bringt die zum Glück live eingespielte Studiovariante feisten Spacerock aus der Kapitänskajüte von Jo Hendrix, der quer durch die Galaxien jagt, immer auf der Suche nach Abenteuern. Mit dabei sind jede Menge Seventies-Effekte, ne Prise Motorpsycho und Samples aus alten Sci-Fi-Hörspielen plus ein Filmstreifen als Appetithäppchen. Die Jungs gehen dabei ganz schön cool vor und haben definitiv das Zeug dazu, noch intergalaktisch von sich reden zu lassen. Da stört es dann auch herzlich wenig, daß sich die Gitarre beizeiten einfach ein bißchen zu sehr verfrickelt (mein alter Englischlehrer hätte bei dieser Gelegenheit den weisen Spruch „Less is more!" parat). Der Name gehört sich gemerkt.

1 ORIGAMI ARKTIKA 2 „Faqul" 3 (komkol / ohm records)

Wie es sich für das Kultkollektiv aus Norwegen gehört, handelt es sich hier um eine Gemeinschaftsproduktion. Die Basictracks wurden für eine Tour schon 1994 aufgenommen und seitdem bei verschiedensten Anlässen von unterschiedlichen ORIGAMI-Konstellationen genutzt, jetzt aber mit zusätzlichen Soundquellen von DEATHPROD. (dem MOTORPSYCHO-Keyboarder !) versehen und von Benny (ORIGAMI GALAKTIKA, vgl. Review von „Stjernevandring" in Intro 39) neu zusammengestellt und gedubbt. Das Ergebnis ist erstaunlich rituell: verhaltene Sounds führen in die nordische Mythologie ein, hin und wieder ergänzt durch visionäre Gedichte. „A cerebral experience", die an die frühesten Soundexperimente von PSYCHIC TV erinnern, „a return to point zero" in acht Schritten. „Faqul" ist der erste Teil der Trilogie „Symbasic Structure for the Concrete Challenge", die Teile 0, 3 und 4 wurden bereits zwischen 94 und 95 veröffentlicht

1 ORIGAMI GALAKTIKA 2 „Stjernevandring / Manedans" 3 ( Speeding Across My Hemisphere )

Das KünstlerInnenkollektiv aus dem DUNKELHEIT-Umfeld überzeugt mit zwei wunderschönen, fast schon meditativen Ambienttracks, die uns weit davontragen, dahin wo die Sterne wandern. Ihr beklemmender Minimalismus erinnert dabei stark an TIBETs/STAPLETONs „The Sadness of Things", allerdings ohne die da zumindest noch sporadisch eingesetzte Percussion und zeitweiligen Geisterstimmen. Ein Soundtrack zu einer unendlich langen, aber doch faszinierenden Polarnacht im Freien; übrigens Vinyl-only und mit tollem Cover der norwegischen Künstlerin Cicilie Risasen. (S.A.M.H., Postfach 1403, 58285 Gevelsberg)

1 Origami vs. Manipura by: b9/Nocturnal Emissions 2 „Mort Aux Vaches" 3 (Staalplaat/Triton)

Ein wahres Split-Album, aufgenommen auf der letzten Europa-Tournee. Die Adventures in Lo-Fi eines der kreativsten Aktivisten des norwegischen Origami-Kollektivs mutet an wie eine Werkschau: Beginnend mit dem atmosphärischen Ambient, den wir auf den Galaktika-Platten finden, über den zeitweilig harshen Noise der b9-Veröffentlichungen, hin zu den beatlastigen Kollaborationen mit Manipura, der zwar hier nicht anwesend war, dessen Breakbeats aber offensichtlich dennoch nicht fehlen durften. Eine schöne reise durch den origami-Kosmos. Mr Nigel Ayers verheißt zunächst auch einen Kessel Buntes, und das ist weit mehr, als mensch nach den katastrophalen Liveauftritten zu hoffen wagte, doch nach den anfänglichen Collagen setzt nach einer viertelstunden doch wieder dieser Billigdrumcomputer ein, der selbst Anfang der Achtziger niemanden begeistert hätte, und es wird fabuliert von Verschwörungstheorien, Lady Di und Monica Lewinski, bis das Zuhören zur Qual wird. Einzige Erklärung mag eine radikale Selbstdekonstruktion sein, den daß er's eigentlich immer noch viel besser kann, beweisen die zahlreichen Kollaborationen mit Randy Greif, Ribin Storey, Mick Harris, etc.
 
 

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1 Panacea / Needle Sharing / Tarmvred 2 „Panacea Shares Needles with tarmvred" 3 (Ad Noiseam / Ant zen)

Die Backgroundstory zu dieser CD klingt fast wie ein Märchen: „Eines schönen Tages hörten Panacea und Needle Sharing, zwei der grössten Namen für Drum'n'Bass und Industrial, einige Tracks von Tarmvred, der zu der Zeit noch ein unbekannter Newcomer war. Sie fühlten, dass mit diesem Newcomer etwas zu machen war." Womit sie recht behalten sollten, wenn das Ergebnis auch weniger märchenhaft als diese Geschichte klingt. War Tarmvred solo schon der Hammer (vgl. die Review zu „Subfusc"), so geben sich die drei angry young men für die Collaboration überhaupt keine Blösse mehr, sondern übertrumpfen sich gegenseitig mit Beats und Sounds. So unterschiedlich die Akteure, so vielseitig die Tracks - so stossen wir u. a. auf elektronische Speed-Ragga (?!) („Rasta Bash"), auf „Voll-auf-die Fresse-Breakbeats" („Clicks per Second") oder feist verhallte Drones („Universalmedel"). Etwas Besseres hätten sich Tarmvred als Mitbringsel für die demnächst anstehende US-Tour nicht ausdenken können - hoffentlich kommen sie damit durch den Zoll!

1 PANKOW 2 „Pankow" 3 ( Blank Your Mind / Eastwest )

Die ehemaligen Labelkollegen von SIGILLUM S scheinen noch einiges von deren Sound (zumindest von deren songorientierten Cds wie „Cybertantrick Quantum Leaps" oder „Dispersion...") mitgenommen zu haben und setzen diesen nun in etwas abgeschwächter Form als Industrial/Elektrocrossover um. PANKOW vereinen hierfür marschierende Rhythmen mit Backgroundnoise und martialischen Gesänge auf italienisch („Brenne Europa brenne"). Verantwortlich dafür ist jetzt G. Luca B., vorher bei der Superdüsterband LIMBO am Mikrofon. Passend zum Gesamteindruck das schwarz-goldene Edelbooklet mit surrealistischen Malereien.

1 Pan Sonic & Charlemagne Palestine 2 „Mort Aux Vaches" 3 (Staalplaat)

Zwei Generationen minimalistischer Musik treffen aufeinander (die zwei Finnen dürften hinlänglich bekannt sein, während Palestine v. a. in den 60ern in New York aktiv war), und das weckt Erwartungen, die aber leider zuungunsten konzeptioneller Monotonie im wahrsten Sinne des Wortes nicht erfüllt werden: Das Album besteht zunächst erstmal aus einem einzigen Ton. Sicherlich kommen nach zehn Minuten ein paar dezente Bleeps hinzu, irgendwann rumpelts auch mal ganz links außen, und die letzten Minuten sorgen ein paar Sinuswellen zusätzlich dann fast schon für den Overkill; für eine Collaboration dreier solcher Ausnahmekünstler ist das aber nicht genug. Obacht: limitiert auf 1000 und nur erhältlich bei www.staalplaat.com!

1 PARA-NOISE-TERMINAL 2 Mechanical Fairytale 3 (Stein Sein)

Wunderbarer Livemitschnitt einer Performance der beiden Hamburger Y-TON-G und Stefan Rossow; nach zahlreichen Tapes und Zusammenarbeiten im Theater- und Tanzbereich (Bhuto !) nun erstmals als CD-R. Wieder streichelt Y-TON-G seine selbstgebauten Metallobjekte, als wolle er zärtlichen Sex mit ihnen haben; unterstützt von Loops, Samples und zufällig eingestreuten Radiosequenzen wächst dieses Märchen so langsam zu organischen Klanggebilden voller Eigenleben, einem Spiel mit akustischen Assoziationen, das zwischen Dichte und Ruhe balanciert und auch seine komischen Momente hat („meine Schaltkreise ...").

1 Nick Parkin 2 „Island Of Dust" 3 (Soleilmoon / Target)

Wunderschöne atmosphärische und soundmäßig sehr dichte Klangmalereien eines Londoner Multiinstrumentalisten. Parkin arbeitet mit Tanz - und Theaterleuten zusammen, und nicht zuletzt deshalb kommen Erinnerungen an die geniale Ballettmusik von Noisemaker's Fifes („Soirée Dansante") hoch. Ambient der Sonderklasse, der durch Sounds und Titel Assoziationen zu einer akustischen Landschaftsbeschreibung nahelegt. Explore your inner world.

1 PENUMBRA 2 „Anoraks" 3 (Universal Egg)

Rapoon sind nicht mehr der einzige lebende Beweis, das Ex-:zoviet*france:-Leute auch nach Trennung von den Pionieren des Experimentellen fantastische Sounds machen können (Horizon 222 gehörten leider nicht dazu…): Auch Penumbra erforschen weiter die unendlichen Weiten des Ambient, gelangen dabei laut Cover zwischenzeitlich in die Anden und auf die Osterinseln und haben gelernt, minimal pulsierende Bleeps in die flächigen Baßsounds zu integrieren. Kopfhörer sind Pflicht! Aber was hat das mit Anoraks zu tun? 1 KROM 2 „This" 3 (Artelier) 5 Sascha Karminski Schwedische Musik kann also nicht nur erstklassiger Pop (Abba) oder Drum&Bass (Monolithic Minds-Umfeld) sein, sondern auch original nach Portishead klingen. Vielleicht paßt dieser Sound ja auch viel besser nach Skandinavien, nur leider waren da ein paar Leute aus Bristol viel schneller und haben so was schon vor Jahren gemacht. Natürlich ist auch Krom melancholisch-schön, und manchmal reichts sogar fast zu einem bißchen Gänsehaut, das wars dann aber auch schon. Und außerdem ist jetzt Frühling und nicht Herbst…

1 PHASE SENS./THE SHIFTER 2 „PHASE EP" 3 (Phase)

Fast schon in die „Bleeps & Clonx"-Ecke gehört die PHASE-EP im blue vinyl. Auf der ersten Seite finden sich drei Tracks von PHASE SENSIBILITY, einem gemeinsamen Projekt von AKYANOVA und DJ SHIFTER, welcher auf der anderen Seite dann noch mal mit THE KNIEP unter dem Projektnamen THE SHIFTER zum Zug kommt. Insgesamt leicht experimentell angehaucht, grundsätzlich aber eher an ruhigen Detroitroots orientiert und trotz anderslautender Angabe auf verschiedenen Geschwindigkeiten abspielbar.

1 PHLUIDE 2 Bifidus Acidophilus and Other Beneficial Cultures 3 (Nation)

Verspielter trancy Ambient mit Dubeinlagen der FreundInnen des LSD. Langsam wirst Du in fremde Welten entführt, zahlreiche Sprachsamples sorgen jedoch dafür, daß der Kontakt zur sogenannten Realität nie vollständig verlorengeht. Aus dem Plätschern wird langsam ein gewaltiges Meer; alles gerät ins Fließen. Theweleit hätte seine wahre Freude daran. Besonders genial sind neben dem „Chainsaw Dub" (trotz der etwas albernen Samples) und „Temple of Hibiscus" einige über die CD verstreute, maximal zweiminütige futuristische Soundschnippsel, die „Blood Music I & II" entstammen und süchtig nach mehr machen.

1 PHYLR 2 „Contra La Puerta" 3 (invisible / caroline)

Was passiert, wenn J. F. Coleman (Ex-COP SHOOT COP) sich vom No Jazz/Free Music-Mastermind ELLIOTT SHARP mastern läßt? Es entsteht mal eben eine neue Musikrichtung, die die beiden Cinematic Electronica nennen, was ein wenig irreführend ist, da es an Soundtracks und vielleicht noch Synthie-Ambient denken läßt. Auf der Platte mit dem einfallslosen Namen fallen wir jedoch mit den ersten Breaks und Beats, d. h. nach ungefähr einer Minute in einen mit Samples vollgepropften Post-Drum&Bass-Strudel, wie er vermutlich nur aus NY kommen kann. Einige der Samples stammen mit Sicherheit aus Soundtracks, und das finale „Away" mit seinen Klagelauten hat was von einer 98er-Version von „Spiel mir das Lied vom Tod" - also doch kinematisch.

1 Piano Magic 2 „Mort Aux Vaches" 3 (Staalplaat)

Auf meiner Stirn bilden sich Falten, in meinem Kopf Fragezeichen, was diese Band auf diesem Label und in dieser Serie macht: größtenteils Instrumentalrock mit Indietouch, dazwischen wird mit dem Effektgerät gespielt, bis eine Gitarre wie Vogelgezwitscher klingt, das war's dann auch schon wieder (und es heißt auch noch „Birds"!). „Winter" ist aufgrund der französischen Samples noch ein wenig interessanter, reicht aber nicht aus, um die Magie wirklich rüberzubringen, und Klavier gibt's auch nicht.

1 PIGFACE 2 „Below The Belt" 3 (Invisible / We Bite)

How to remix für Fortgeschrittene mit Schwerpunkt off und big beats mit allen, die dazugehören, als da wären: SHEEP ON DRUGS, und zwar fast so fett wie der „Burundi"-Kracher von GODFLESHs Justin Broadrick, der das PIGFACE-Original und den ebenfalls vertretenen SCANNER-Mix deutlich in die Schranken verweist; die momentanen omnipräsenten PHYLR mit genialen Loops; außerdem VAN CHRISTIE mit dem „warzone mix" von „Nutopia", einem absoluten Ohrwurm, ohne jemals seicht zu werden (an dem Mix muß sich NICOLETTE in Zukunft messen lassen) und um Längen besser als „Nutopia" von HANZEL UND GRETYL; SUBGENIUS mit leichtem Ethnotouch und TRANQUILITY BASS, die ihrem Namen alle Ehre machen. Ein Album, das Maßstäbe setzt!

1 Gert-Jan Prins / Peter Van Bergen / Fennesz 2 „Dawn" 3 (Grob / A-Musik)

Wer angesichts der illustren Namen auf dem Cover strenge Click'n'Cut-Kompositionen erwartet hatte, wird im ersten Moment enttäuscht sein: „Dawn" ist ein 42-minütiges Improstück, und der Mann zwischen Prins und Fennesz spielt Saxophon... Dieses ist (zum Glück) nicht als solches zu erkennen, und das Knistern und Knacken funktioniert auch in slow motion prima - in der Tat bringt die Spontanität der Improvisation an Pros und Cons interessante Brüche, immer wieder verhalten-vorsichtiges Suchen nach Gemeinsamkeiten und plötzliche Climaxe. So was passiert selten alleine vor dem Laptop. Entstanden ist diese Aufnahme während des „Total Music Meeting" im November 2000 im Berliner Podewil, was erneut die herausragende Bedeutung dieses Ladens unterstreicht, dessen Existenz dank rot-roter Sparmassnahmen auf dem Spiel steht, auch wenn neuesten Meldungen zufolge nur knapp 200.000 statt 750.000 Euro der jährlichen Unterstützung gestrichen werden sollen.

1 Psychic TV 2 „Beauty from thee Beast" 3 ( Visionary / IRC )

Der Sell-out geht weiter: GPO als grauhaariger Rastafari grinst vor seinem Haus in Northern Carolina zahnlos in die Kamera. Ungefähr so powervoll kommt die dritte Best of - CD in zwei Jahren rüber. Während noch zahlreiche Tondokumente einer der radikalsten Bands der Musikgeschichte weiterhin vergriffen sind und nur mit viel Glück zu Höchstpreisen auf Plattenbörsen zu entdecken sind (ich denke vor allem an Teile der Live - und Themes - Serien),veröfentlichen PTV immer wieder den gleichen Kram wie Schunkelhit „Godstar" mit dem Schüttelreim: „This is a story / a very special story / it`s about Brian Jones / one of the Rolling Stones". Dieses Lied ist schon auf mindestens fünf verschiedenen Releases aufgetaucht (Livemitschnitte nicht mitgezählt), gähn! Ansonsten auch nur wieder die Songs der Singles/Maxis: „Roman P.", „Je t´aime", etc. , außerdem einiges aus der „Towards thee infinite Beat" - Zeit... Aber es gibt auch Positives: Die Linernotes bringen interessante Infos zu den einzelnen Stücken und Andeutungen über das Exil in den USA, das Cover ist eins der schönsten, das PTV je hatten, und es taucht sogar ein (!) bisher (!!) unveröffentlichtes (!!!) Stück auf: der Antitribal „Back to reality". Außerdem interessant: der erste richtig gute Remix von „United" in einer zehnminütigen Version.

1 PSYCHIC TV 2 „Breathe" 3 (Undertainment / IRS)

Eigentlich war ich ja nach den letzten, eher entäuschenden Outputs der PTV-Megamaschine und v.a. der ziemlich langweiligen spoken word revelation „A Hollow Cost" sehr skeptisch bei diesem erneuten Versuch, spoken word und „dark ambient" zu verbinden, zumal wie beim ersten Mal Larry Thrasher für die Musik verantwortlich war. Doch mit „Breathe" wachsen „Industrial-Begründer und Underground-Gott" (was für eine Verantwortung!) GPO und sein Mitstreiter weit über das hinaus, was sie vorher an Mittelmaß produziert hatten. Dafür zapften sie aber auch die düstersten Energiequellen an, an die sie herankommen konnten, stammen die Basics doch von einer Liveperformance, die eine Crowleyfangemeinde in Amiland zu Ehren des Meisters und seinen Offenbarungen im „Buch der Lügen" vor ausgewählter MagickerInnenschaft (und seitens GPOs im Originalyetimantel des Biestes 666) veranstaltete. Die Lyrics entstanden damals spontan, lehnen sich aber locker an drei Schlüsselwörter des „Buchs der Lügen" an: Breathe - Believe - Being. Die Backgroundbegleitung dafür ist dem Anlaß entsprechend hypnotisch/düster und verarbeitet z.T. Sounds weiter, die schon auf „At Stockholm" und „AL-OR-AL" (mit dessen Experimentierfreudigkeit sich das neue Werk auch am ehesten vergleichen läßt) zu hören waren; ganz schön minimal, aber weit entfernt von Seichtheiten wie Meeresrauschen, das viele Ambientaufnahmen so grauenvoll macht.

1 PUSHKIN BOOM BEAT 2 „T of U" 3 (RuBeL Rec.)

Der Titel soll nicht etwa Vegetarismus in Zeichen des Rinderwahns propagieren, sondern steht für „Thinking of you" - ha ha. Spaß wird großgeschrieben bei dieser Band, deren musikalische Bandbreite so vielschichtig ist wie die Herkunft der Musiker: Russland, Elfenbeinküste. Machorka-Tabakistan (noch nie gehört!) und Deutschland. Entsprechend treffen bei Pushkin Boom Beat Trip Hop auf Ska und Noise-Rock in The Ex'schen Gefilden, russische Avantgarde auf Tom Waits'sche Lyrik und Stimme, Talking Drums auf Maschinenloops, dazu gibts asiatische Samples, und am besten funktioniert das, wenn alles gleichzeitig passiert. Live muss das unglaublich sein!
 
 

q

1 Queen of Japan 2 „Nightlife in Tokyo" 3 (Angelika Köhlermann/Hausmusik)

Kollege Venker hatte bei der Besprechung einer Queen of Japan-10" die Ambivalenzen beim Hören schon angedeutet, und hier finden sie sich voll bestätigt: 10 gecoverte 70s-Hits, trash as trash can, zwischen „Auweia" und superlustig. Highlights sind natürlich die Kiss-Stampfhymne „I was made for loving you" als gay Discohymne, oder „Bobby Brown", das so klingt, als hätte Zappa jemand völlig anders gecovert. Auch noch nett: „Get down make love" von Queen, „White pony" von Laid Back (an „Sunshine Reggae" haben sie sich anscheinend nicht rangetraut) und „Physical", das sich allerdings stark am Original von Olivia Newton John orientiert. Die andere Hälfte hätte allerdings nicht sein müssen.
 
 

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1 Rapoon 2 „Navigating by Colours" & „What Do You Suppose? (The Alien Question)" 3 (Staalplaat / Hausmusik)

Zunächst zu Robin Storeys Masterpiece, sowohl akustisch als auch visuell: „Navigating by Colours" kommt mit 12 vom Meister eigenhändig gemalten Postkarten (zu jedem Track eine), die schwer an alte :zoviet*france:-Cover erinnern. Auch musikalisch treten die Roots wieder stärker in den Vordergrund - ich könnte schwören, einige Sounds auf diversen Veröffentlichungen der Rapoon-Vorläufer schon mal gehört zu haben. Jetzt schlägt Storey allerdings die Brücke von der Vergangenheit zur Gegenwart, und versetzt die ambienten Drones mal eben mit fetten Breakbeats. Allerdings geht er dabei etwas subtiler als beispielsweise Aphasia auf „Mesopheric Breaks" vor, so daß das Ganze nicht so konstruiert rüberkommt. Dagegen muß die zweite Rapoon-CD in diesem Monat fast ein bißchen untergehen, obwohl ich ihr alles andere als das wünschen würde. Sie ist klassischer angehaucht, fast schon minimalistisch, bezieht sich aber auf „The Alien Question" von dem/der mir unbekannten Hoh Krll, aus dem tonnenweise Samples benutzt wurden. Somit also eher ein Soundtrack, wäre da nicht gleich zu Anfang „Waddi Haj", das als posthume Hommage an Brian Jones durchgehen würde, wenn es mir nicht zuwider wäre, immer auf Muslimgauze zu verweisen, sobald ein paar indische/arabische Sounds auftauchen, oder die ebnfalls rhythmischeren Tracks „Give us Dub" und „I don't expect anyone...".

1 RAPOON 2 „Fallen Gods (Cidar)" 3 (Staalplaat / Triton)

Im Gegensatz zu neueren Alben wie „Navigating By Colours" oder „What Do You Suppose" gibts bei diesem Reissue weder Beats noch Vocal-Samples, sondern lupenreinen Ambient in allerbester zoviet*france-Manier. Entstanden ist dieser aus Bearbeitungen von Liveimprovisationen mit Storey's Sammelsurium an außereuropäischen Instrumenten, und entsprechend trippig ist das Ergebnis, das uns mitnimmt auf eine lange, weite Reise. Bei der Originalversion der CD gabs einen Schnippsel zum Ausschneiden und Bonus-DAT-Ergattern, dass ist heute einfacher, die Bonus-CD „Cidar" ist gleich dabei und verdoppelt die Freude.

1 Ras. Al. Ghul. 2 „Sinmatic Layers" & 1 Ras. Al. A'Sad. 2 „Space.Scape" & 1 Diverse 2 „Thisconnected" 3 (alle This.Co)

Am Anfang der Aktivitäten von Fernando Cerqueira und Paulo Rodrigues aus Lissabon stand die Industrialgruppe Croniamantal, die zwar keine eigenen Platten herausbrachte, aber durch zahlreiche Samplerbeiträge im Dunstfeld von Clock DVA, Young Gods, Von Magnet, Controlled Bleeding und Pankow auf sich aufmersam machen konnte. Das war von 1985 bis 1987. Danach gründeten sie das Label SPH und veröffentlichten bis 1992 Aufnahmen von Merzbow, Brume, Jim O'Rourke und Maeror Tri. Als nächstes stand ein „Counter-Culture Bookshop" namens Ligotage an, der sich Themen wie Cyberpunk und Tantra, Drogen und Schamanismus widmete. Als auch das zu langweilig wurde, musste wieder eine Band her, Ras. Al. Ghul. war geboren und hat sich seitdem mit ausgeklügelten Kompositionen und anspruchsvollen Melodien eine eigene Nische zwischen Experiment und Dancefloor erarbeitet. Auch wenn auf „Sinmatic Layers" für meinen Geschmack immer noch zu wenig mit Brüchen gearbeitet wird, gibt es genug zu entdecken, was das wiederholte Hören sehr spannend und potentiell psychedelisch macht. Aber Cerqueira und Rodrigues wären nicht sie selber, wenn ihnen das langen würde. Unter dem Namen Ras. Al. A'sad. erschaffen sie ihr eigenes ambientes Alter Ego und hauchen Sun Ras Credo „Space is the Place" aus ungewohnter Ecke neues Leben ein. Schliesslich und endlich haben sie auch wieder ein neues Label unter ihren Fittichen, das den Netzwerkgedanken hochhält und der geneigten ZuhörerInnenschaft neben den eigenen CDs auch Sampler mit Gleichgesinnten nahebringt. Auf „Thisconnected" bitten illustre Vertreter der Grenzbereiche wie Column One, Delphium und Troum um unsere werte Aufmerksamkeit, und die haben sie sich redlich verdient. Viel Spass beim Lauschen ist garantiert.

1 Ras Command 2 „In Dub Vol. II" 3 (45/indigo)

Feister Dub aus Nordeutschland, dessen fette Bässe sich sofort im Magen festsetzen, dessen Samples trotz Computerequipment und Referenzen an House und Ambient die Roots nicht vergessen lassen und dessen Sounds einen sanften Trip versprechen - LOVEDUB !

1 Reznicek / Kubin / Mancha 2 „Ipsomat Légrand" 3 (Disaster Area)

Der Hamburger Beitrag zur 10"-Serie auf Distaster Areaist der soundlastigste - erst nach einiger Zeit werden auf der Reznicek / Kubin- Seite die bei den beiden anderen Releases im Vordergrund stehenden Beats integriert - NDW-Electrosounds runden das ganze ab. Nicht besonders aufregend. Mark Mancha schafft alleine mehr, bleibt zwar dabei verhalten-minimal, aber arbeitet mit den Sounds und muss nicht eine Idee minutenlang auswalzen.

1 RLW / Diverse 2 tulpas 3 (Selektion)

Diese monumentale 5 CD-Box hätte eher eine Diplomarbeit als eine Review verdient: Fast 50 MusikerInnen und Bands des globalen Untergrunds interpretieren Ralf Wehowsky, teilweise auch aus der legendären P16.D4-Zeit; alleine 7 mal wird die Mini-CD „Nameless Victims" gecovert, was angesichts der Fülle an Arbeitsweisen der Beteiligten äußerst unterschiedlich ausfällt. „tulpas" ist gleichzeitig mehr noch als der Mille Plateaux-Sampler „In memoriam Gilles Deleuze" ein Who's who der gegenwärtigen Postindustrial-/Ambientszene, ein Manifest (und eine manchmal etwas mathematisch wirkende Herausforderung) für neue Experimente, eine Enzyklopädie nie gehörter Klänge, ein Ausflug in die Mystik des tibetanischen Buddhismus (tulpas sind Phantomerscheinungen erleuchteter Boddhisattvas; BRUCE RUSSEL überträgt das in einem Kurzessay auf die Situation beim Covern eines RLW-Tracks) und in die Literatur (CONTRASTATE stellen in ihrer Version Verbindungen zu Grass' Blechtrommel her). Mit dabei, die Grenzen des Hörens und deiner Boxen auszuloten und zeitweilig zu überschreiten, sind u.a. JIM O' ROURKE, meine Lieblinge NOISEMAKER' S FIFES mit gewohnt langer Improvisation, Ex- MAEROR TRI's BARAKA(H), natürlich AUBE und BRUME (mit Wortdekonstruktionen des 1981er Klassikers „Wer nicht arbeiten will, soll auch nichts essen") sowie ACHIM WOLLSCHEID, mit dem RLW für das oben erwähnte Deleuze-Memorial zusammenarbeitete.

1 Roger Rotor 2 „Mort aux vaches" 3 (Staalplaat/Target)

Roger Rotors Musik ist nicht gerade der Informationsoverkill, seine langen Analogtracks stellem sich eher in die Tradition von Bands wie Kraftwerk oder Suicide. Natürlich ist das monoton, aber diese Monotonie in Real Time kann mitunter hypnotisch wirken, vor allem wenn beizeiten mal überraschend modernere Sounds einfließen oder die Bässe noch ein paar Nuancen weiter nach unten wandern.

1 Rsundin 2 „Sleepwalk" 3 (Ground Fault)

Rsundins CD würde ich keinem Schlafwandler wirklich empfehlen: Die 44 Tracks in knapp ebensovielen Minuten, bestehend aus abwechselnder Stille und überraschenden Hochfrequenzattacken, würden zum unlustvollen Aufwachen führen. Die Intention bleibt mir verschlossen, ebenso wie die Fülle an Instrumenten, die angeblich zum Sound beigetragen haben soll, nicht nachzuvollziehen ist.
 
 


releases: ram nam satya hai - eighty percent of nothing - cITY.cRIME.cONTROL. - in statu nascendi - traumpfad - a travelogue in three acts - worminside - the libyan tapes / to loop a loop - prisonblood (murder 1, 2, 3) - triptych 1: may all rapists be happy - triptych 2: skarz
NEW! the patricide ep - punish the guilty - '.blackbox.'

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